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Randvollvolumen vs. Nennvolumen – Ärger für den Handel

Lebensmittelrecht: Berechnung des Grundpreises – Ärger im Handel
Obst und Gemüse in einer Aufgussflüssigkeit haben oft auf der Verpackung eine Zahl in einem Kästchen ohne Maßeinheit – das sog. Randvollvolumen.
Manche Supermärkte und Online-Shops berechnen gesetzeswidrig Grundpreise nach dem Randvollvolumen.

Vorsicht! Berechnungsfehler!

Wer im Supermarkt oder Online-Handel eine Gulaschsuppe in der Dose kauft, zahlt selbstverständlich die Flüssigkeit um das Fleisch herum mit; sie ist Bestandteil der Suppe.
Wer Oliven im Glas kauft, zahlt selbstverständlich nicht die Flüssigkeiten um die Oliven herum mit; sie dienen nur der Konservierung.

Verbotene Berechnung nach dem Randvollvolumen
Wird der Preis der Oliven jedoch nach dem sog. Randvollvolumen (Ware + Konservierflüssigkeit) berechnet, verstößt der Händler gegen die PAngV.

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Supermärkte und Online-Shops dürfen den Grundpreis einer verpackten Ware nicht nach dem Randvollvolumen berechnen; das Abtropfgewicht ist die Basis für den Grundpreis.

Die Kennzeichnung des Randvollvolumens ist auf der Verpackung von Obst und Gemüse in einer Aufgussflüssigkeit Pflicht.
Sie erscheint (hier bei einer Dose Kidneybohnen die Zahl 425, Foto: privat) als Zahl in einem eckigen Kästchen ohne Maßeinheit:

Randvollvolumen: Ein Blick ins Gesetz

In § 2 Abs. 2 FertigPackV ist das Randvollvolumen definiert und gegen das sog. Nennvolumen abgegrenzt.
Das Randvollvolumen ist insbesondere für sogenannte Maßbehältnisse im Sinne der FertigPackV bedeutsam.
Ferner dient es bei Lebensmitteln in Aufgussflüssigkeit zur Qualitätsbestimmung.

Maßbehältnisse

Maßbehältnisse müssen besonders gekennzeichnet werden. Auf solchen Behältnissen ist das Randvollvolumen anzugeben.
Die Kennzeichnung hat nach der FertigPackV jedoch durch denjenigen zu erfolgen, der das Behältnis herstellt oder in den Verkehr bringt.
Dabei ist u. a. die Angabe des Nenn- und des Randvollvolumens am Boden, an der Bodennaht oder auf dem Mantel des Maßbehältnisses unverwischbar, gut sichtbar und deutlich vorzunehmen.

Das Randvollvolumen in der Praxis

In der Praxis findet sich oft auf Dosen und Gläsern die Angabe des Randvollvolumens auf dem Etikett von Lebensmitteln in Aufgussflüssigkeit.
Dies betrifft insbesondere Dosen und Gläser meist mit Obst oder Gemüse. Dosen und Gläser sind nach dem Wortlaut der Definition des Maßbehältnisses kein Maßbehältnis im klassischen Sinne, denn sie sind keine Flaschen.

Die Leitsätze für Gemüseerzeugnisse und Leitsätze für Obsterzeugnisse nehmen jedoch Bezug auf Randvollvolumen.
Dies geschieht in der Weise, dass das ein bestimmtes und gängiges Behältervolumen ein bestimmter Anteil des Abtropfgewichts in g auf jeweils 100 ml Randvollvolumen kommen soll. Dies ist für einzelne Obst- und Gemüsesorten bzw. Mischungen genau bestimmt und dient der Qualitätssicherung solcher Produkte.

Gerechtigkeit für Verbraucher
Hintergrund ist, dass der Verbraucher bei einer gängigen Verpackung, z. B. einer kleinen 425 ml Dose (Randvollvolumen) oder einer großen 850 ml (Randvollvolumen) Dose regelmäßig dieselbe Menge Obst oder Gemüse (ohne Aufgussflüssigkeit) erhalten soll.

Qualitätssicherung
Diese Vorgaben führen zu einer Qualitätssicherung derartiger Produkte.
Denn der Verbraucher will regelmäßig die festen Bestandteile aus Obst und Gemüse verzehren und nicht die Aufgussflüssigkeit.
Er hat also ein Interesse daran, dass er möglichst viel des festen Lebensmittels erhält und wenig Aufgussflüssigkeit.
Denn die Aufgussflüssigkeit dient nur der besseren Haltbarkeit bzw. Qualitätserhaltung des Produkts.
Ferner bietet die Angabe des Randvollvolumens des Behältnisses dem Unternehmer die Möglichkeit, zu berechnen, wie viele Dosen bzw. Gläser er einlagern kann.

Nettogewicht entscheidend
Für den Verbraucher ist jedoch nicht das Randvollvolumen entscheidend, sondern die Nennfüllmenge/das Nettogewicht des Inhalts und vor allem das Abtropfgewicht.
In der Praxis dient das Randvollvolumen daher weniger dem Verbraucher und viel mehr den Lebensmittelunternehmern.

Kennzeichnung der Füllmenge

Gemäß Art. 23 LMIV in Verbindung mit Anhang 9 Ziffer 5. LMIV ist bei Lebensmitteln in Aufgussflüssigkeit bei der Kennzeichnung neben der Füllmenge auch das Abtropfgewicht des Lebensmittels anzugeben.
Ebenso regelt es § 11 Abs. 1 FertigPackV. Darüber hinaus fordert die FertigPackV, dass das Abtropfgewicht leicht erkennbar und deutlich lesbar in unmittelbarer Nähe der gesamten Füllmenge und mindestens in gleicher Schriftgröße wie diese anzugeben ist. In der Praxis stehen diese Angaben daher meist nebeneinander.

Die Grundpreisangabe und das Randvollvolumen – Gesetzeslage

Nach § 2 Abs. 3 PAngV ist bei Waren, bei denen das Abtropfgewicht anzugeben ist, der Grundpreis auf das angegebene Abtropfgewicht zu beziehen.
Diese Regelung ist eindeutig.
Das Preisschild im stationären Handel und auch die Preisangabe im Online-Handel müssen bei derartigen Lebensmitteln den Grundpreis bezogen auf das Abtropfgewicht angeben, wenn dies – wie sehr oft – vom Randvollvolumen abweicht.
Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass die Angabe des Grundpreises bezogen auf das Randvollvolumen gesetzeswidrig ist.

Ein Verstoß gegen diese Vorgaben der PAngV ist nach §§ 3, 3a UWG wettbewerbswidrig.
Denn § 3 UWG bestimmt, dass unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig sind (Abs. 1).
Unlauter sind auch geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen (Abs. 2).
Nach § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG alte Fassung) handelt unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Irreführende Werbung
Ferner sind gem. 5 UWG irreführende geschäftliche Handlungen unlauter.
Danach handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird.

Ordnungswidrigkeit
Außerdem handelt es sich gem. § 10 PAngV um eine Ordnungswidrigkeit, wenn ein Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig Preise nicht, nicht richtig oder nicht vollständig angibt,

Rechtsprechung

Auch die Rechtsprechung hält eine Grundpreisangabe bezogen auf das Randvollvolumen für rechtswidrig. Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 19.10.2012, Az. 6 U 46/12) hat diesbezüglich entschieden: Ein Verstoß gegen wesentliche Informationspflichten ist auch immer ein Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt.

Urteilszusammenfassung:
Die objektive Zuwiderhandlung widerspreche gegen unionsrechtlich begründete verbraucherschützende Marktverhaltensregeln gemäß § 4 Nr. 11 UWG (alte Fassung, jetzt § 3a UWG) regelmäßig auch der fachlichen Sorgfalt im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 UWG.
Werden den Verbrauchern wesentliche Informationen vorenthalten, deren Mitteilung das Unionsrecht verbindlich vorschreibe, sei dieses Tatbestandsmerkmal von vornherein und ausnahmslos verwirklicht.
Folgerichtig wende die höchstrichterliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen bei der Spürbarkeitsprüfung sowohl § 3 Abs. 1 UWG als auch § 3 Abs. 2 S. 1 UWG a
Wer wie die Beklagte als Anbieter von Waren gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen werbe und deshalb unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 PAngV die richtigen Grundpreise anzugeben habe, müsse die ordnungsgemäße Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung durchgängig und in jeder Hinsicht sicherstellen.
Begründen einzelne Pflichtverstöße wie im Streitfall die Gefahr, dass notwendige Grundpreisangaben den Verbrauchern auch in weiteren Einzelfällen vorenthalten werden, hafte der Unternehmensinhaber wegen der Zuwiderhandlung auch von Mitarbeitern und Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG – ohne eine dem § 831 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbare Entlastungsmöglichkeit auf Unterlassung.
Es könne keine Rede davon sein, dass in Bezug auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Preisangaben geringere Anforderungen an die fachliche Sorgfalt eines Internetversandhändlers zu stellen wären als an die eines stationären Lebensmitteleinzelhändlers.
Keiner von ihnen könne sich damit rechtfertigen und den verschuldensunabhängigen Verletzungsunterlassungsansprüchen anspruchsberechtigter Mitbewerber, Verbände oder Einrichtungen die Grundlage entziehen, indem er auf im Massengeschäft immer wieder vorkommende Versehen und Nachlässigkeiten sonst zuverlässiger Mitarbeiter oder Beauftragter verweise.

Online-Händler erfüllen dieselben Anforderungen
Die Rechtsprechung orientiert sich mit diesem Urteil eng an den gesetzlichen Vorschriften und lässt keinen Raum für Fehler. Es stellt zudem klar, dass an stationäre Händler dieselben Anforderungen gestellt werden, wie an Online-Händler.

Bedeutung für den Verbraucher

Die Irreführung ist für den Verbraucher besonders bedeutsam. Er wird durch die gesetzeswidrige Angabe des Grundpreises bezogen auf das Randvollvolumen, das regelmäßig größer ist als das Abtropfgewicht, regelmäßig in die Irre geführt. Denn dem Verbraucher wird dadurch gesetzeswidrig vorgespielt, dass der Grundpreis für die festen Bestandteile des Lebensmittels in Aufgussflüssigkeit, niedriger ist, als er in Wahrheit ist.

Beispiel:
Ein Händler verkauft z. B. Oliven in Aufgussflüssigkeit in einer Dose mit einer Füllmenge von 414g und einem Abtropfgewicht von 240g und mit einem Randvollvolumen von 425ml zum Preis von 2,25€ pro Dose.
Korrekt beträgt der Grundpreis bezogen auf das Abtropfgewicht 0,94 € pro 100g (2,25€ : 240g x 100).
Bezieht der Unternehmer den Grundpreis jedoch auf das Randvollvolumen beträgt der Preis nur 0,53 € pro 100 ml (2,25€ : 240g x 100).

Verbrauchertäuschung
Davon abgesehen, dass der Preis pro 100 Einheiten geringer erscheint, zahlt der Verbraucher hier zwar augenscheinlich weniger, dafür zahlt er aber auch die Aufgussflüssigkeit, die er regelmäßig gerade nicht verzehren möchte.
Aus Sicht des Verbrauchers ist der Preis also augenscheinlich und trügerisch geringer bei der Berechnung des Grundpreises bezogen auf das Randvollvolumen als bei der rechtlich richtigen Berechnung bezogen auf das Abtropfgewicht.
Der Verbraucher wird dann also über den tatsächlichen Grundpreis in die Irre geführt, weil dieser (gesetzeswidrig) geringer erscheint.

Fazit

Die Angabe des Grundpreises bezogen auf das Randvollvolumen ist gesetzeswidrig.
Unternehmern, die dagegen verstoßen, droht eine Abmahnung durch Mitbewerber bzw. eine Beanstandung durch die Behörde, welche mit Bußgeld sogar bei fahrlässiger Begehung geahndet wird.

Fahrlässig handeln Unternehmer, die die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lassen.
Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Unternehmer sich über die rechtlichen Erfordernisse nicht erkundigt bzw. beraten lässt.
Unternehmer sollten sich daher zur Angabe der Preise für die von Ihnen angebotenen und beworbenen Waren anwaltlich beraten lassen.
Bedenken Sie, dass eine Beratungsstunde durch einen Rechtsanwalt regelmäßig viel kostengünstiger ist als ein Abmahnverfahren oder ein Bußgeldverfahren.

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Onlinehandel von Lebensmitteln

Fernabsatz bei Lebensmitteln“
(Behr’s Verlag, Hamburg)
2. Auflage 2019, 174 Seiten
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Rechtsanwältin
Kerstin Dieter

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